Ironman. Eine Annäherung

Ironman. Es fängt damit an, dass es Iron Man heißt, nicht Ironpeople. Ironwoman? Ironpeople? Ironmen, vielleicht als Grenzbegriff? Nein, es geht nicht um Ironpeople, sondern um die Frage: Wer ist der härteste? Nicht, wer hat den härtesten, sondern: Wer ist der härteste. So fing es  wohl an vor 37 Jahren in Hawai, als sich 1978 ein paar stationierte Militärs mit den separaten Härtetests für Rad, Lauf, Schwimmen langweilten. Es sollte einfach noch härter werden.

Inzwischen ist es fast ein Volkssport, 4000 Startende auf Mallorca,, 20 % Frauen sind auch dabei gestaffelt nach Profis, Alter bis 29, Alter ab 29. Bei den Männern ist es nicht so easy: Da gibt es allein zwei Abteilungen Männer der Altersklasse 50-54, Buchstabenweise treten sie an, A-M und N – Z.

Im Hotel Iberostar, Cuidad Bianca de Alcudía konnte man sie tagelang erleben, die Ironmänner mit ihren Frauen, die kinderwagenschiebend in der Gegend herumlaufen, während die Männer noch ein wenig trainieren. Kinder müssen beschnullert, gefüttert, beplanscht werden, das muss ja jemand machen. Es gibt eine beachtliche Kinderanimation, aber dafür sind die Kinderwagenkinder noch zu klein. Die Ironfrauen, es gibt sie ja auch, verschwinden im Hotelbild. Es sind zu wenige. Nur ab und an fallen sie auf, wenn sie à 2 mit einem Ironmann an ihren Seite die Räder zum Aufzug schieben. Manchmal schiebt ein einsamer Typ einen Kinderwagen um den Pool, immerhin. Insgesamt bin ich schon froh, dass hier niemand ein Kopftuch trägt. Es ist eine westliche Veranstaltung. Aber ob ich mich mit nackten Oberkörper an den Tisch setzen könnte, wie einer der männlichen Athleten?

Manche Gäste sind wettbewerbsfrei hier, die haben sich vielleicht verirrt, oder laben sich an der elektrisierten Atmosphäre. Sie stehen den hungrigen Ironleuten bei den Mahlzeiten im Weg herum und sind klar zu unterscheiden von den Irongruppen. Das Hotel ist ausgebucht.

Marek ist schlechter Laune. Ich habe um 22.30 noch gelesen, Potzblitz, der Ironman muss schlafen. Das mit dem Schlafen ist schon zu Hause ein Problem, wenn er entscheidet, ins Bett zu gehen, dann muss ruckzuck das Licht ausgemacht werden. Nur wenn er entspannt und bester Stimmung ist, dann ist es anders. Dann kann ich lesen und er liest auch. Oder bei Sex. Da darf es schonmal später werden.

Vor dem Wettkampf: Wir, WIR, liegen um 22.11 im Bett. Ich liege herum, weil ich eine Eule bin und in den Ferien 22.11 eine lächerliche Zeit ist, nervt mich das schon. Zumal mein Liebster seit dem Nachmittag schlecht gelaunt ist. Weil er mich nicht erreicht hat. 4x hat er angerufen. Well – ich war mal kurz Wasser kaufen für den zukünftigen Helden. 4x hat er angerufen, ich hätte mein Telefon ausgeschaltet, er war wütend. Ei gugge da, wenn man auf Mallorca die deutsche Vorwahl nicht wählt, dann kommt der Ruf nicht an. Na sowas. Mallorca ist halt immer noch nicht ganz deutsch. Mist.

Dann ist Wettkampftag. Aufstehen um 5.47, mein Wecker klingelt. Dann geht es los. Frühstücken – 1000 Kalorien  – und ab in die Wechselzone. Diejenigen, die Ironmenschen werden wollen, strömen aus allen Straßenzügen in die Fahrradzone. Man kann von außen durch den Gitterzaun gucken Die letzten Vorbereitungen werden getroffen, gepumpt, geklebt, montiert. Der Frauenblock auf der anderen Seite ist klein. Es ist eine Männnerveranstlatung. Obwohl sich die Veranstalter mit dem Wettbewerbsheft wirklich Mühe gegeben haben: Gleichermaßen weibliche wie männliche Ironteilnehmende sind im Heft abgebildet. Es ist wirklich gut gegendert. Aber es treibt einfach viel viel mehr Typen in die Wechselzone als Frauen. „Es ist der Kick“ sagt Thomas, „das Adrenalin“. „Es ist das tolle Gefühl danach“ sagt Dirk. „Es ist eine Art Ritus für irgendwas verquer Männliches, da laufen ganz viele Trips. Für mich war es Selbsterfahrung, Emanzipation durch Alleinsein“ sagt Martin. „Und wenn er dann fertig ist, dann stürz dich nicht gleich auf ihn, sondern lass ihm Zeit das zu genießen, das ist ganz toll da am Ziel“ rät mir Dirk. Ich soll mich als liebende Begleitfrau nicht auf meinen tollen Ironmann stürzen. Sondern ihn den Sieg genießen lassen. Mir gruselt´s, dass mir so was als Tipp mitgegeben wird. „Das ist ein ganz besonderer Moment“ klärt mcih Dirk weiter auf: „Manche weinen“. Ah ja, da können sie also weinen, die Männer, da ist es erlaubt. Bei Sportereignissen. Man muss menschliche Bedürfnisse nur gut kanalisieren. Und sie aus dafür unpraktischen Situationen heraushalten.

Dann beim Start: Die Gruppen sind gut separiert, jede mit anderen Bademützen. Die Frauen haben durchweg pinke Bademützen. Sind ja nicht so viele Frauen und Pink ist ja eh ihre Farbe…..  Die 30jährigen Männer: Die roten. Zufall? So stehen sie an der Startlinie, wippen auf den Füßen, Kreisen die Arme, konzentrieren sich still auf den Startschuss. Am Mittelmeer stürzen sie sich ins Wasser. Ich denke an Homer und die Ilias. Das ist auf der anderen Seite. Und doch: Früher gab es Kriege, heute gibt es Sportwettkämpfe. Irgendetwas muss man ja mit seinem Körper machen und das ist jedenfalls viel besser. Keine Frage.

Und doch wurmt es: Die vielen Frauen mit Kindern, die den Männern zujubeln. Die wenigen Frauen. Ein stolzer Vater, der seine 25jährigen Zwillinge begleitet. Vatertöchter aus Nordirland.

Und der Wettkampf: Jeder ist fokussiert. Hat nur Gedanken für sich und den Wettkampf. Worum geht es? Es sind friedlich zivilivierte Egos, die sich etwas beweisen möchten, ein Omen für anderes hervorkämpfen wollen, sich einmal im Leben – oder eben immer und immer wieder – großartig fühlen möchten. Es geht um das Gefühl der körperlichen Großartigkeit, der Erschöpfung, des aus eigener Kraft etwas Schaffens. Ist es eine Kompensation fehlenden Selbstwerts? Ist es eine Expansion in die Welt? Es ist auf sich bezogene Fixierung des Geistes auf den Körper. Das alles in wunderschöner Umgebung, Wärme, Sicherheit. Für alles ist gesorgt.

Die Menschen stehen am Straßenrand und bejubeln einige gezielt, andere einfach so. Ein junger Engländer erklärt in dem immer etwas arrogant klingenden Oxforder Akzent, dass sich das gesamte menschliche Drama hier ereigne, auf der Ziellinie: Menschn, die sich kaum noch dahinschleppen könnten, fast aussähen, als brächen sie zusammen, andere, die leicht und euphorisiert ins Ziel laufen.

Man weidet sich am menschlichen Drama. Besser als Krieg, allemal. Oder man ist absorbiert in die Unterstützung einer Person. Ganz fokussiert. Was zeigt sich beim Triathlon? Ich habe es noch nicht vollständig erfasst.

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